Botschaft betreffend das Wiener Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf

Fortsetzung 24

232.3 Vertragsmässigkeit der Ware und Rechte oder Ansprüche Dritter

Der Abschnitt über die Vertragsmässigkeit der Ware enthält zunächst Bestimmungen über die Sach- (Art. 35-40) und anschliessend über die Rechtsmängelhaftung (Art. 41-43). Hinsichtlich der Rechtsgewährleistung sieht das Wiener Übereinkommen eine Bestimmung über Rechtsmängel (Art. 41) und eine weitere über die Beeinträchtigung durch gewerbliche Schutzrechte oder Urheberrechte (Art. 42) vor. Die Regelung betreffend Sachgewährleistung beginnt mit einer Begriffsumschreibung (Art. 35) und hält sodann den Zeitpunkt fest, in welchem die Vertragswidrigkeit vorliegen muss (Art. 36).

Artikel 37 normiert die bereits erwähnte Möglichkeit, fehlerhafte Ware bei vorzeitiger Lieferung zu verbessern. Artikel 38 hält die Untersuchungspflicht des Käufers fest; Artikel 39 regelt die Folge der Rügeversäumnis. Eine Parallelbestimmung bezüglich Rechtsgewährleistung findet sich in Artikel 43. Auf unterbliebene Untersuchung und fehlende Mängelrüge kann sich der Verkäufer indessen nicht berufen, wenn er die Mängel kannte oder hätte kennen müssen (Art. 40). (S. 789) Artikel 44 schliesslich enthält eine sowohl für die Sach- wie für die Rechtsgewährleistung bedeutsame Vorschrift: Die Folgen der Rügeversäumnis werden bei entschuldbaren Gründen wieder aufgehoben.

232.31 Sachgewährleistung

a. Im allgemeinen

In der Schweiz wird die Sachgewährleistung aufgefasst als Einstehen des Verkäufers gegenüber dem Käufer für die Nützlichkeit und die Tauglichkeit des Kaufgegenstandes und als Haftung für das Fehlen bestimmter Eigenschaften oder das Vorhandensein bestimmter Mängel (vgl. Art. 197 OR; Guhl/Merz/ Kummer, a.a.O., S. 342).

Gemäss Artikel 35 Absatz 1 des Wiener Übereinkommens hat der Verkäufer Ware zu liefern, die in Menge, Qualität und Art sowie hinsichtlich Verpackung oder Behältnis den Anforderungen des Vertrages entspricht. Fehlt es an einer Vereinbarung, so liefern die in Artikel 35 Absatz 2 aufgezählten Kriterien eine Konkretisierungshilfe. Als erstes muss sich die Ware für den Zweck eignen, für den sie gebraucht wird (Art. 35 Abs. 2 Bst. a) Dient sie einem bestimmten Zweck, der dem Verkäufer bei Vertragsabschluss bekannt gegeben wurde, so muss die Ware auch für diesen Zweck geeignet sein (Bst. b) Handelt es sich am einen Kauf nach Muster, so entspricht die Ware nur dann dem Vertrag, wenn sie die Eigenschaften des Musters aufweist (Bst. c) Buchstabe d stellt für die Eigenschaften der Verpackung darauf ab, was üblich oder angemessen ist, um die Ware zu bewahren und zu schützen.

Während man in der Schweiz von vorausgesetzten und zugesicherten Eigenschaften spricht, unterscheidet das Wiener Übereinkommen in Artikel 35 Absatz 2 zwischen gewöhnlicher und besonderer Zweckeignung. Die Eigenschaften, die der schweizerische Käufer voraussetzen kann, dürften sich mit den Erwartungen decken, dass der Kaufgegenstand den Zweck, für den er gewöhnlich verwendet wird, erfüllt. Entsprechend sind hinsichtlich der vorausgesetzten Eigenschaften, beziehungsweise der gewöhnlichen Zweckeignung keine divergierenden Auslegungen zu erwarten. Anders ist die Lage bei den zugesicherten Eigenschaften beziehungsweise der besonderen Zweckeignung. Aus der Wiener Formulierung kann zwar geschlossen werden, dass die besondere Zweckeignung nicht ausdrücklich Bestandteil des Vertrages zu sein braucht. Vielmehr genügt es, wenn der Verkäufer vom besonderen Verwendungszweck wusste oder hätte wissen müssen. Immerhin kann sich der Käufer darauf nur berufen, "sofern sich nicht aus den Umständen ergibt, dass der Käufer auf die Sachkenntnis und das Urteilsvermögen des Verkäufers nicht vertraute oder vernünftigerweise nicht vertrauen konnte" (Art. 35 Abs. 2 Bst. b). Das entspricht in etwa den strengen Anforderungen, die in der Schweiz an die Ernsthaftigkeit einer zugesicherten Eigenschaft gestellt werden. Insofern kann von einer Parallele in den beiden Rechtsordnungen gesprochen werden. Zu beachten ist allerdings, dass nach dem Wiener Übereinkommen nur diejenigen Zusicherungen die Haftung des Verkäufers zu begründen vermögen, die den besonderen Verwendungszweck beeinträchtigen. Demgegenüber ist nach OR massgebend, ob die Angaben ernst- (S. 790) haft genug wäre", um den Entschluss des Käufers zu beeinflussen. Kann dies bejaht werden, so hat der Verkäufer nach schweizerischer Auffassung selbst dann einzustehen, wenn das Fehlen der zugesicherten Eigenschaft die Brauchbarkeit oder den Wert des Kaufgegenstandes nicht mindert. Ausschlaggebend ist einzig, ob die Zusicherung für den Kaufsentschluss des Käufers kausal war. In der Praxis dürften viele Fälle dieselbe Regelung erfahren, gleichgültig, ob sie nach dem OR oder dem Wiener Übereinkommen beurteilt werden. Immerhin fällt es leichter, von einer Kausalität zwischen Zusicherung und Kaufsentschluss auszugeben, wenn mit der zugesicherten Eigenschaft die Brauchbarkeit oder der Wert der Kaufsache tangiert sind. Entsprechend wird der schweizerische Richter den adäquaten Kausalzusammenhang vermuten bei Zusicherungen, die nach den Erfahrungen des Lebens geeignet sind, die Entschliessung des Käufers zu bewirken; dem Käufer steht dann der Gegenbeweis offen. Handelt es sich um Zusicherungen, die objektiv gesehen einen Käufer im allgemeinen in seinem Entschluss nicht berühren, so obliegt die Beweislast dem Käufer. In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass sich das Wiener Übereinkommen über die Beweislastverteilung beim Mangel ausschweigt. Eine Einigung über Beweislastregeln zu erzielen, schien bei den unterschiedlichen Rechtsordnungen mit derartigen Schwierigkeiten verbunden, dass sie fallen gelassen wurde.

Artikel 35 Absatz 3 enthält die dem schweizerischen Juristen geläufige Regel, wonach die Haftung des Verkäufers dahinfallt, wenn der Käufer den Mangel zur Zeit des Vertagsabschluss kannte oder hätte kennen müssen (vgl. Art.200 Abs. 1 OR). Weiter wird ausdrücklich festgehalten, dass die Haftung unabhängig davon besteht, ob sich die Vertragswidrigkeit bei der Lieferung bemerkbar macht oder erst später zutage tritt. Voraussetzung ist lediglich, dass sie zur Zeit des Gefahrenübergangs bestanden hat (Art. 36 Abs. 1). Ob über den Gefahrenübergang hinaus auch eine Gewährleistungspflicht für die Dauer von Eigenschaften bestehen könne, war auf der Konferenz umstritten. Man einigte sich schliesslich auf eine Formulierung, wonach der Verkäufer für die Gebrauchstauglichkeit unter Umständen über den Zeitpunkt der Abnahme hinaus einstehen muss. Aus dem Wortlaut von Absatz 2 ergibt sich, dass dieses Einstehen auch auf einer stillschweigenden Zusicherung beruhen kann.

Auslegungsschwierigkeiten sind diesbezüglich nicht auszuschliessen. Der Übereinkommenstext spricht sodann von der Haftung des Verkäufers für die Eignung der Ware während einer bestimmten Zeit. Diese Formulierung lässt an sich offen, ob zumindest die Zeitdauer Gegenstand der Parteivereinbarung sein muss oder ob der angerufene Richter die Zeitdauer anhand der Umstände festzulegen hat. Im Interesse einer klaren Anwendung dieses Artikels wird man indessen verlangen müssen, dass die Zeitspanne, während welcher der Verkäufer eine Garantie übernimmt, von den Parteien zum voraus bestimmt werden muss.

b. Untersuchungspflicht des Käufers

Nach Artikel 201 OR wird vom Käufer eine unter den gegebenen Umständen zumutbare Warenprüfung und eine sofortige Mitteilung der Mängel an den Verkäufer verlangt. Handelt es sich um verborgene Mängel, so hat die Anzeige unmittelbar nach deren Entdeckung zu erfolgen. (S. 791)

Auch das Wiener Übereinkommen statuiert die Pflicht des Käufers, die Ware innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen, wie es die Umstände erlauben. Nicht geklärt ist die Frage, ob bei einer vorzeitigen, vom Käufer genehmigten Warenlieferung die kurze Frist vor dem Fälligkeitstermin zu laufen beginnt. Unter der Herrschaft des Einheitlichen Kaulrechts, welches in Artikel 38 EKG ebenfalls die Untersuchungspflicht des Käufers innerhalb kurzer Frist festhält, wird diese Frage nach überwiegender Ansicht verneint (vgl. Dölle H., a.a.O., N 1 zu Art. 38). Man darf davon ausgehen, dass für das Wiener Übereinkommen Entsprechenden gilt. Demgemäss beginnt die Untersuchungsfrist bei vorzeitiger Lieferung erst mit dem Ende des für die Lieferung vorgesehenen Zeitraums zu laufen. Für den Zeitraum ist vorerst massgebend, ob die Ware versendet oder allenfalls weiterversendet wird. Artikel 38 Absatz 2 räumt dem Käufer beim Versendungskauf die Möglichkeit ein, die Untersuchung der Ware bis zum Eintreffen am Bestimmungsort aufzuschieben. Absatz 3 lässt eine noch weitergehende Aufschiebung zu, wenn der Käufer die Ware weiterversendet, ohne dass ihm genügend Zeit zur Kontrolle verbleibt, und wenn der Verkäufer von der Weiterversendung oder von der Möglichkeit zur Weilerversendung wusste oder hätte wissen müssen. In diesen Fällen wird die Untersuchungspflicht bis zum Eintreffen der Ware am neuen Bestimmungsort aufgeschoben. Der Beginn der Frist zur Untersuchung ist damit nicht einheitlich geregelt. Bezüglich der Dauer dieser Frist stellt das Wiener Übereinkommen auf objektive Kriterien ab.

Für die Bemessung des Zeitraumes sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Dagegen können subjektive Umstände, die in der Person des Käufers liegen (wie etwa Ferienabwesenheit, fehlendes Personal, mangelnde Erfahrung) die Dauer der Frist nicht beeinflussen.

Der Umfang der Untersuchung wird sich ebenfalls aus den Umständen ergeben müssen. Einerseits ist der Käufer verpflichtet, sie gründlich durchzuführen, so dass er sich über den Zustand der Ware ein Urteil bilden kann. Anderseits ist er aber gehalten, die Untersuchung innerhalb so kurzer Frist wie möglich durchzuführen. Ob der Käufer seiner Untersuchungspflicht ordnungsgemäss nachkommt, wird der angerufene Richter anhand des konkreten Einzelfalles und in Berücksichtigung internationaler Bräuche überprüfen müssen. Entgegen dem Haager Einheitlichen Kaufrecht (Art. 38 Abs. 4 EKG) fehlt jedenfalls eine Bestimmung, wonach für Art und Weise der Kontrolle auf das Recht am Ort ihrer Vornahme abgestellt wird. Allerdings wird oft auch eine stillschweigende Vereinbarung der Parteien vorliegen, wonach für die Modalitäten der Untersuchung das Recht am Vornahmeort massgebend ist.

Inwiefern eine bei Massenlieferungen durchgeführte Stichprobe die Beweislastverteilung über die Güte der Ware zu beeinflussen vermag, bestimmt das Recht des angerufenen Richters. Die Kosten der Untersuchung trägt der Käufer. Ist die Ware aber mangelhaft und zeigt er dies dem Verkäufer an, so kann er von diesem den Ersatz der Untersuchungskosten verlangen. Ob und inwiefern der Käufer verborgene Mängel rügen kann, ist im Zusammenhang mit der Mängelrüge geregelt (S. 792)

c. Mängelrüge

Nach schweizerischem Recht ist die Mängelrüge eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der Käufer unter drohendem Verlust seiner Sachgewährleistungsansprüche innerhalb einer bestimmten Frist abgeben muss. Der Käufer ist sodann gehalten, grundsätzlich alle Mängel zu nennen, so dass der Verkäufer Art und Bedeutung des Fehlers ermessen und die Tragweite der Beanstandung erkennen kann. Die Mängellüge ist formfrei möglich; sie kann nicht durch Stillschweigen allein geltend gemacht werden. Nach dem Gesetzestext hat sie sofort, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, zu erfolgen. Der übliche Geschäftsgang und die Gepflogenheiten des betreffenden Handelszweiges sind massgebend, um die Zeitspanne für das Anzeigen einer Mängelrüge zu bestimmen. Bezuglich des Erfordernisses der sofortigen Anzeige ist die Rechtsprechung recht grosszügig. Handelt es sich um geheime Mängel, so muss der Käufer diese nach der Entdeckung unverzüglich anzeigen. Die Klage auf Sachgewährleistung verjährt dabei nach einem Jahr seit der Ablieferung (Art. 210 OR), so dass später entdeckte Mängel unerheblich sind. Nach Ablauf der einjährigen Klagefrist bleibt dem Käufer die Möglichkeit, Mängeleinrede geltend zu machen, sofern er sie fristgerecht angezeigt hatte.

Nach dem Wiener Übereinkommen ist die Mängelrüge nicht empfangs-, sondern lediglich absendebedürftig Eine besondere Regelung, die vom Grundsatz des Artikels 27 abweichen wurde, ist in Artikel 39 nicht enthalten. Mit der Mängelrüge verknüpft sind auch Bestehen oder Verlust der Sachgewährleistungsansprüche des Käufers. Unterlässt dieser die Mangelanzeige innerhalb einer angemessenen Frist, so verliert er das Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen. Die angemessene Frist bestimmt sich nach den Gepflogenheiten und dem üblichen Geschäftsgang des betreffenden Handelszweiges. Denkbar sind auch durch Handelsbräuche im Sinne von Artikel 9 festgesetzte Fristen. Trotz den unterschiedlichen Formulierungen im OR und dem Übereinkommen dürften sich für die Frist im Ergebnis kaum wesentliche Divergenzen ergeben. Die Frist zur Anzeige beginnt mit Abschluss der Untersuchungshandlungen zu laufen.

Artikel 39 Absalz 1 verpflichtet den Käufer, die Art der Vertragswidrigkeit genau zu bezeichnen. Damit scheidet auch nach dem Wiener Übereinkommen eine generelle Beanstandung aus. Hingegen kann aus dieser Voraussetzung genauso wenig wie nach schweizerischem Recht gefolgert werden, der Käufer habe zusammen mit der Mängelrüge auch zu erklären, welche Ansprüche er geltend machen wolle.

Hinsichtlich der Form schreibt das Übereinkommen nichts vor. Daraus ist zu schliessen, dass die Mängelrüge formfrei gültig ist. Dies gilt auch dann, wenn die eine Partei ihre Niederlassung in einem Vertragsstaat hat, der vom Vorbehalt nach Artikel 96 Gebrauch macht und dessen nationales Recht besondere Formvorschriften für Mängelrügen vorsieht. Nach Artikel 27 ist der Käufer verpflichtet, die Anzeige mit den nach den Umständen geeigneten Mitteln vorzunehmen. Blosses Stillschweigen reicht für eine Mängelrüge genauso wenig aus wie im schweizerischen Recht.

Stellt sich ein verborgener Mangel erst nach der Untersuchung heraus, so hat ihn der Käufer innerhalb angemessener Frist anzuzeigen. Er verliert allerdings (S. 793) seine Sachgewährleistungsansprüche, wenn er den Mangel nicht innerhalb von zwei Jahren seit der Übergabe der Ware anzeigt (Art. 39 Abs. 2). Gegenüber dem OR wird damit die gesetzliche Frist verdoppelt. Daraus kann sich für den Käufer, der in der Schweiz eine Klage aus Sachgewährleistung anhängig machen will, eine unbefriedigende Lösung ergeben. Obwohl er nach dem Wiener Übereinkommen verborgene Mängel während zweier Jahre rügen darf, könnte er seine Ansprüche nicht geltend machen, falls die einjährige Klagefrist nach Artikel 210 OR abgelaufen ist. Sowohl im OR wie auch im Wiener Übereinkommen handelt es sich bei den Fristen um dispositives Recht. Sie können somit durch Parteivereinbarung abgeändert werden. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Verjährungsfristen für die Mängelrüge einerseits und die Klage aus Sachgewährleistung andererseits empfiehlt es sich, vertraglich eine Anpassung der beiden Fristen vorzunehmen.

Dabei ist folgendes zu beachten: Nach schweizerischem Recht bedürfen die sogenannten Garantieabsprachen einer sorgfältigen Prüfung. Oft übernimmt der Verkäufer damit eine befristete Garantie für die vertragskonforme Beschaffenheit der Ware. Darin liegt zumeist die Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft; hingegen kann aus der Vereinbarung einer derartigen Garantiefrist eine abweichende Rügefrist nur abgeleitet werden, wenn dies unmissverständlich dem Vertragsinhalt entnommen werden kann (vgl. Giger Hans, Berner Kommentar, Bd. VII, N 89 zu Art. 201). Dadurch, dass das Wiener Übereinkommen ausdrücklich von "Garanliefrist" spricht, sind Missverständnisse nicht auszuschliessen.

Auf unterbliebene Mängelrüge - sei es innerhalb der gesetzlichen oder der durch die Parteien vereinbarten Frist - kann sich der Verkäufer nicht berufen, wenn er die Mängel gekannt und dem Käufer nicht angezeigt hat oder wenn er sie hätte kennen müssen (Art. 40). Die Formulierung ist gegenüber dem OR weitergehend, da Artikel 203 OR die absichtliche Täuschung des Käufers durch den Verkäufer voraussetzt. Nach wohl herrschender Ansicht gilt für die Auslegung dieses Begriffes derselbe Massstab, den die Rechtsprechung zum arglistigen Verschweigen gemäss Artikel 199 OR entwickelt hat. Demnach muss der Verkäufer vom Mangel sichere Kenntnis oder mit dem Vorhandensein des Mangels ernsthaft gerechnet haben. Weiter muss ihn hinsichtlich dieses Mangels eine Offenbarungspflicht treffen und er muss diesen Mangel willentlich verschwiegen haben. Ein bloss grob fahrlässiges Verschweigen des Mangels reicht also nicht aus, um dem Käufer die Sachgewährleistungsansprüche trotz unterlassener Mängelrüge zu erhalten. Die zwei ersten Voraussetzungen treffen auch für das Wiener Übereinkommen zu. Hingegen braucht es nach Artikel 40 kein absichtliches oder arglistiges Verschweigen. Vielmehr reicht ein grobfahrlässiges Verschweigen eines Mangels aus, damit sich der Verkäufer nicht mehr auf das Unterlassen der Mängelanzeige berufen kann.

In welchem Zeitpunkt der Verkäufer den Mangel gekannt hat oder hätte kennen müssen, sagt das Übereinkommen nicht. Da Artikel 40 sich auf die Artikel 38 und 39 bezieht, welche auf die Lieferung der Ware abstellen, muss auch für Artikel 40 dieser Zeitpunkt massgebend sein. Dieselbe Lösung ist übrigens bei der Rechtsgewährleistung ausdrücklich vorgesehen (vgl. Art. 42). Handelt es (S. 794) sich also um einen Sachmangel, den der Verkäufer nach Übergabe der Ware kannte oder hätte kennen müssen, greift Artikel 40 nicht ein.

Fortsetzung

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